REIGEN.im.park
Dialog mit Arthur Schnitzler
Mit Werken von Max Bühlmann, Judith.P.Fischer, Gabriele Fulterer / Christine Scherrer, Anita Hahn, Cornelia König, Gert Linke, Sonja Lixl, Matthias Mollner, Karl-Heinz Ströhle und Fridolin Welte.
Eröffnung: 16. Mai 2013, 19:00 Uhr
Laufzeit der Ausstellung: Freitag, 17. Mai - Dienstag, 23. Juni 2013
Ort: Baden, Arthur Schnitzler Park und Bahnhof
Eine Initiative der Stadtgemeinde Baden und der Kultur Niederösterreich
Ausgehend von Schnitzlers Theaterstück „Reigen“ werden 10 temporäre Kunstprojekte im öffentlichen Raum, nämlich im Arthur Schnitzler Park und im Bahnhof der Stadt Baden, gezeigt. Die Werke reflektieren einerseits die Inhalte des Stückes und transformieren andererseits Themen in die Gegenwart unter Berücksichtigung standortspezifischer Gegebenheiten. Der Park und der Bahnhof werden für den Zeitraum von 6 Wochen zur Plattform für bildende Kunst.
Korrespondierend zu den zehn Szenen des Stückes werden zehn künstlerische Installationen gezeigt, die nicht nur einen formalen Zusammenhang mit dem Stück aufweisen, sondern auch die Inhalte des Stückes, also Macht, Verführung, Sehnsucht, Enttäuschung, Verlangen nach Liebe thematisieren und künstlerisch umsetzen. Innerhalb eines räumlichen Zusammenhanges ist jede Arbeit auch autonom zu verstehen und in sich abgeschlossen, allerdings ergeben sich interessante Einblicke und Durchblicke. Und so gibt es, ähnlich dem Szenenaufbau im Theaterstück, in dem immer eine Person der darauffolgenden „die Hand reicht“, Verbindungen zwischen den Arbeiten. Mit einem gezeichneten Dialog (Fulterer / Scherrer) beginnt der „Reigen an Werken“, um Dialog in Wort und Schrift geht es in Cornelia Königs Spiegelarbeit. Gert Linkes „Diwan“ aus Stahl bietet im Park einen Platz zum Verweilen, während die Schaukel von Fridolin Weltes innere Unruhe assoziiert. Durch die runden Aussparungen blickt man dann auf 10 Betonquadern mit integrierten Schnitzler-Zitaten der Niederösterreicherin Anita Hahn, deren symmetrische Ordnung dann durch die Rasenarbeit „Mäander“ von Sonja Lixl aufgebrochen wird. Max Bühlmann baut ein Séparée aus Holz und weißem Stoff, das man auch betreten darf, davor steht ein Kleid von Judith.P.Fischer, das an die vielen Besucherinnen des Séparées erinnern soll, während Matthias Mollner als Ergebnis seiner Performance ein Herz aus Erde im Rasen zurücklässt. Ein schwebendes Objekt aus Federstahlt (in Anlehnung an eine Krinoline) von Karl-Heinz Ströhle bildet den effektvollen, optischen Anfangs- und Endpunkt in der Eingangshalle des Bahnhofs. Mit dem Projekt „REIGEN.im.park“ setzt die Kulturstadt Baden ein weiteres Zeichen in Richtung zeitgenössische Kunst und schafft eine Kunstachse zwischen dem Bahnhof und dem Arnulf Rainer Museum im Zentrum der Stadt.
Die Ausstellung im Freien ist 6 Wochen öffentlich zugängig. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.
Judith.P.Fischer (Kuratorin der Ausstellung)
Diagnose: Eros
Den Sekundararzt Arthur Schnitzler zieht die
Aussicht auf amouröse Abenteuer auch nach Baden.
Von einem Schulkollegen weiß der Mittzwanziger, dass
dieser dort „Riesenglück bei den Weibern“ hat. Wiener
Lebemänner wie diese beiden erleben ihre Zeit wie in
einem Taumel. Und das nicht ohne Grund.
Die Welt der Donaumonarchie zeigt Risse und
Brüche, gesellschaftliche Übereinkünfte lösen sich
auf, Eros und Sexualität werden zu Themen von
Wissenschaft und Kunst. Der naturwissenschaftlich
ausgerichtete Arzt Schnitzler begegnet all dem und
sich selbst als scharfer Beobachter; sein Beruf verlangt,
mit präzisen Diagnosen zu antworten. Die Tagebucheintragung
vom „Riesenglück bei den Weibern“ und
die Sexualmoral der Zeit legen den Schluss nahe,
dass junge Männer der Jahrhundertwende in ihrem
Liebesleben einem nicht geringen Leistungsdruck
unterworfen sind.
Schnitzler, der unter ständigem Selbstzweifel den
Schriftsteller in sich entdeckt, dokumentiert im Tagebuch
seine beglückenden und quälenden Erfahrungen
mit Frauen. Und es geht oft sehr schnell. Das rasant
zunehmende Lebenstempo macht auch vor dem
Liebesleben nicht Halt. Einem wirbelnden Reigen
gleich erlebt Schnitzler die Macht des Eros, mitunter
auch in Baden. Seine Diagnose deckt sich mit dem
wissenschaftlichen Befund Freuds von der Triebnatur
des Menschen. Das zu akzeptieren fällt aber noch
schwer. Schnitzler ahnt das; er hält seine abgeschlossene
Theaterstudie „Reigen“ für „undruckbar“, bis ein
Vierteljahrhundert später der in Baden geborene Max
Reinhardt den Autor überzeugt, dass dieses kühne
Spiel von Eros und Einsamkeit auf die Bühne gehöre.
Doch da ist es schon zu spät: Der jüdische Analytiker
Schnitzler wird willkommenes Opfer des erbärmlich
und erbarmungslos hetzenden Antisemitismus der
zwanziger Jahre. Heute kann sein „Reigen“ mehr denn
je zur hilfreichen Selbstbeobachtung führen.
Herbert Först